ich hab immer gedacht, dass es am schlimmsten ist wenn man alleine ist, mit der einsamkeit. aber noch viel schlimmer ist es, unter vielen menschen zu sein, und sich trotzdem einsam zu fühlen.
ich weiß nicht, warum ich züge so sehr mag. vielleicht, weil sie eine verbindung sind. eine verbindung von stadt zu stadt, von stadt zu land, und so weiter. eine verbindung zu orten, die man nicht kennt, die geheimnisvoll und völlig langweilig sein können. aber es ist ein schönes gefühl zu wissen, dass es züge gibt. wenn ich wollen würde, könnte ich einfach einsteigen und wegfahren. es gäbe unzählig viele möglichkeiten, wohin. irgendwie bedeuten züge auch freiheit für mich. so sitze ich oft stundenlang auf meinem kleinen balkon, und schaue auf die gleise, die unmittelbar davor liegen. und wenn züge vorbeikommen, schaue ich mir die leute an. und ich frage mich, wohin sie wohl gerade fahren. wie es ihnen wohl geht. die alte dame mit dem lächeln auf dem gesicht, die gerade auf dem weg ist, zum 6. geburtstag ihrer enkelin zu fahren. in ihrer handtasche verbirgt sich die grußkarte, und in dem großen korb neben ihr wartet ein geschenk ungeduldig darauf, von seiner lästigen zweiten haut befreit zu werden. sie hat einen weiten weg zu ihrem sohn und ihrer enkelin, und sie ist aufgeregt. denn so oft sehen sie sich nicht. der mann, der erschöpft sein gesicht an die scheibe lehnt. bemüht, dabei nicht einzuschlafen. er hat eine lange und anstrengende nachtschicht hinter sich, mit reichlich überstunden, die er für eine lächerliche summe ausgezahlt bekommt. aber er schaut nicht verärgert darüber aus. er scheint froh zu sein. velleicht bei dem gedanken, bald endlich ins bett zu fallen. oder bei dem gedanken, seiner freundin sagen zu können, dass er schon wieder ein paar euros mehr für den monat verdient hat. vielleicht spart er auch das geld, um endlich seinen größten traum von einem haus am strand verwirklichen zu können. obwohl er weiß, dass er es wohl nie schaffen wird, ist die hoffnung noch in reichweite. weil er vielleicht weiß, dass träume und hoffnung einen manchmal retten kann im grau trüben alltag. dass mag ich so an den zügen. selbst wenn alles andere müde ist, der sonnenaufgang träge und die straßen erschöpft, die züge fahren stetig und zuverlässig durch die welt. mit leuten, die vielleicht traurig, froh, unendlich glücklich oder erschüttert sind. dass interessiert sie auch gar nicht. weder die zeit, noch das wetter, noch sonst irgendwas. sie fahren einfach. zuverlässig, tag und nacht. und ich schaue ihnen dabei zu, bis ich vor müdigkeit einschlafe.
da ist eine drossel in meinem herzen, welche nach draußen will. aber ich bin zu schlau, ich hole ihn nur nachts raus - manchmal. wenn alle anderen schlafen. ich sage ihm "ich weiß dass du hier bist, sei nicht traurig." dann tue ich ihn zurück. aber er singt eine weile hier drinnen. ich ließ ihn nicht ganz sterben. und wir schlafen zusammen, mit unserem geheimen pakt. und dass ist schön genug um einen mann weinen zu lassen. aber ich weine nicht. weinst du?
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